„Bilder in Bäumen“ Auf der Suche nach Farbe,Formen und Figuren.
von Dr. Marlene Schnelle-Schneyder DGPh (Deutsche Gesellschaft für Photographie)
Fotografen sind in der Regel auf der Suche. Auf der Suche nach Motiven und Konzepten. Paul Rolans hat sein Motiv und auch sein Konzept gefunden: Bäume.
In den letzten Jahrzehnten haben wir besser verstanden, dass Bäume und Wälder lebenswichtige Funktionen im Rhythmus und Kreislauf der Natur ausüben. Paul Rolans sind diese Funktionen bewusst, er hat eine enge Beziehung zur Natur und ganz besonders zu Bäumen. Er sucht im wahrsten Sinne des Wortes ihre Nähe!
Bei dem Begriff Baum wird auch bei uns eine Assoziationskette von Vorstellungen ausgelöst. Stamm und Krone, vielleicht die Farbe grün. Paul Rolans ist an mehr interessiert, seine Bilder erschöpfen sich nicht in vordergründigen Klischees.
Er legt es darauf an, unsere gewöhnliche, selektierende Wahrnehmung zu irritieren, die in der Regel nur die allgemeinen Merkmale registriert. Er sensibilisiert die Wahrnehmung des Betrachters auf sehr subtile Art. Er führt und verführt ihn zur Konzentration der Nähe und Überschaubarkeit der Details, um ihm das Erlebnis der optischen Berührung anzubieten.
Paul Rolans Augen tasten die Details ab, sie suchen in der Ganzheit das Besondere – und sie finden es! Seine Kamera entlockt den Rinden Farben und Formen, entdeckt Gesichter und Gestalten, die zu Zeichen werden.
Er extrahiert und abstrahiert gleichermaßen aus dem Angebot der Natur, wenn sein aktiver Blick die Form gefunden hat. Paul Rolans transformiert seine Entdeckungen in Bilder, das heißt, die Farben, Formen und Figuren emanzipieren sich von ihrem Ursprung und werden zu selbstständigen Bildorganisationen.
Farbflächen, die so gar nicht typisch für Bäume zu sein scheinen, überraschen durch ihre Intensität oder durch ihr Zusammenspiel gebrochener Töne.
Formen, durch die Beleuchtung strukturiert, entwickeln aggressive Spitzen und Kanten. Andere dagegen zeigen ein harmonisch-organisches Gefüge. Dynamische Linien und Farbverläufe setzen die an sich statische Fläche in Bewegung.
Menschliche Gesichter sind uns von der Geburt her vertraut und eine Vorliebe für menschliche Physiognomien und Gestalten scheint unserer Wahrnehmung angeboren. Paul Rolans erweckt sie aus Andeutungen von Linien und Konturen, setzt sie ins Bild, und das Auge ergänzt die Leerstellen mühelos.
Gesichter tauchen über Urlandschaften auf und Engel schweben auf der Fläche. Gestalten, Formen und Farben agieren auf der Bildfläche und fesseln unsere Aufmerksamkeit und Wahrnehmung.
Wir entdecken mit Paul Rolans eine neue Art von Natur! Entdecken unseren eigenen Wahrnehmungsprozess, der auf Identifikation und Gestalterkennung angelegt ist, um unsere Umwelt zu strukturieren. Das Angebot der Bilder von Paul Rolans geht über diesen Mechanismus hinaus. Im Wiedererkennen entdecken wir Irritierendes und Neues, sehen wir Bilder, die die Natur erst auf den zweiten Blick enthüllt – und das haben wir Paul Rolans zu verdanken.
Blue notes.„Images in Water“
von Dr. Kerstin Stremmel (Deutsche Gesellschaft für Photographie)
In Abgrenzung zur Malerei ist der Fotografie traditionell die dokumentarische Funktion, die Referenz, das Konkrete und Inhaltliche zugedacht worden. Die vermeintliche Fähigkeit zur Abbildung des Wirklichen schien Privileg und Defizit zugleich, eine Qualität fotografischer Welterfassung resultierte in der spezifischen Wirklichkeitsbindung, dem indexikalischen Charakter der Fotografie – die Phantasie und das Imaginäre wurden eher der Malerei zugesprochen.
Dagegen haben sich viele Künstler, die mit Fotografie arbeiten, gewehrt. In jüngerer Zeit wurde vor allem mit Manipulationen des Bildmaterials gegen den Realitätsverdacht der Fotografie angetreten. Vieles auf diesem Sektor schien allerdings gemacht zu werden, weil es möglich war, nicht, weil eine bestimmte Bildaussage getroffen werden sollte oder eine ästhetische Entscheidung für ein bestimmtes Konzept fiel.
Paul Rolans verfolgt eine andere Strategie der Legitimation der Fotografie als autonomes bildkünstlerisches Medium. Er beobachtet Naturphänomene und kommt in seiner seit 2003 entstehenden Serie Bilder in Wasser mit Beharrlichkeit und einem geschulten Blick zu Ergebnissen, die auf den ersten Blick allein in der Phantasie zu wurzeln scheinen.
Er verlässt sich auf glückliche Zufälle und erzielt auf bedächtige Weise Fotografien, die kaum mehr realistische Anhaltspunkte bieten, die Farbe und vor allem die Form hat sich von den traditionellen Verbindlichkeiten fotografischer Erfassung befreit. So entstehen rätselhafte Bilder mit hohem Assoziationsgehalt, aus Kristallen formt sich ein seltsamer embryonaler Körper, der von Eiszapfen umgeben scheint. So subjektiv das klingen mag, so viel fotografische Präzision gehört zu dieser nur scheinbaren photographie automatique. Hat sich Rolans zunächst selbst als reiner Registrator der fotografierten Phänomene betrachtet, so sind ihm seine Auswahlkriterien im Laufe der Zeit bewusster geworden.
In seinen Improvisationen geht es ihm darum die Bilder, die er durch das intensive Beobachten von Wasser findet, auf natürliche Weise weiter zu entwickeln. Mittlerweise bearbeitet er dazu die Bilder, wenn es der ästhetischen Präzision dient. Dafür werden störende Details entfernt, aber nichts hinzugefügt, Rolans vesucht, so formuliert er es selbst, das Bild in Einklang mit der Natur zu belassen.
Sein künstlerisches Verfahren lässt an Fragen denken, die André Breton in einem Text zum Surrealismus gestellt hat: „Wann werden wir schlafende Logiker, schlafende Philosophen haben? Ich glaube an die künftige Auflösung dieser scheinbar so gegensätzlichen Zustände von Traum und Realität in einer Art absoluter Realität, wenn man so sagen kann: Surrealität.“
So subjektiv die Entscheidung für bestimmte Motive ist – seien es die fast psychedelischen Farbverläufe, die einen bei längerer Betrachtung fast in einen Rauschzustand versetzen, oder die präzisen Choreographien jener tanzenden Tropfen, die an genau den richtigen Stellen platziert scheinen – so nachvollziehbar sind Rolans’ ästhetische Entscheidungen. Mit Recht beharrt der Künstler darauf, dass die Fotografien nicht rein subjektiv sind. So befreien sie die Fotografie auf poetische Weise von ihrer Realitätsbindung und setzen die Phantasie in Bewegung, ohne beliebig zu wirken.